Auswirkungen der türkischen Besatzung und des Krieges auf die Frauenökonomie

Erklärung an die Öffentlichkeit

Der Besatzungskrieg des türkischen Staates beinhaltet die Plünderung der Ökonomie der Bevölkerung und der Frauen in Rojava / Nord- und Ostsyrien. Die Besatzer verwenden Slogans, die auf die “Eroberung von Kriegsbeute durch den Dschihad” basieren. Das Land, Fabriken, Gebäude, Produktionsstätten, Geschäfte, Häuser und das gesamte Eigentum der Menschen wurden geplündert und beschlagnahmt. Die türkische Armee und der IS vertreiben und enteignen gemeinsam die lokale Bevölkerung aus den Orten in den Regionen Serêkaniyê (Rasalain) und Girêspî (Tilebiyat).

Die Getreidesilos in Serêkaniye und Girêspî wurden geplündert. Das Land bleibt unbearbeitet, die Samenaussaat kann nicht gemacht werden. Durch die Bombardierung wurde die wirtschaftliche Infrastruktur der Region zerstört. Kooperativen, Arbeitsplätze der autonomen Verwaltung und die Frauenökonomie wurden mutwillig zerstört. Hunderttausende von Frauen und Männern wurden arbeitslos, mittellos in das Flüchtlingsleben und den Hunger gezwungen. Zum Beispiel befinden sich die Felder der Bauern und Viehzüchter jetzt in den Händen der Besatzer; Hirten und Arbeiter werden gefangen genommen; Frauen sind systematisch mit sexuelle Gewalt konfrontiert; die wirtschaftlichen Institutionen werden zerstört; Häuser und Besitztümer der Menschen hier werden geplündert und billig an Kriegsprofiteure verkauft. Eine der schlimmsten Auswirkungen von Krieg und Besatzung ist, dass es immer einen Kreis von Kriegsprofiteuren gibt, die große Geldsummen verdienen, während die große Mehrheit der Menschen leidet. Die Produktion von Waren wird zunichtegemacht, geplünderte Güter werden zu einem hohen Preis vor Ort oder ins Ausland verkauft. Dies zerstört sowohl die Moral als auch die Wirtschaft der Gemeinschaft und verschärft die Armut.

Zum Beispiel umfasste die Frauenökonomie unter der autonomen Selbstverwaltung in dieser Region von Rojava rund 3.000 Hektar Ackerland. Auf diesen Böden verdienten etwa hundert Familien ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft und Viehzucht. Mit den jährlichen Erträgen des Landes konnten wir zugleich Frauenwerkstätten, Kooperativen und Genossenschaften aufbauen und unterhalten. Nun waren drei Frauenkooperativen mit je 100 bis 150 weiblichen Mitgliedern gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben. Alle diese Frauen wurden gezwungen, vor den Angriffen zu fliehen. Denn Hirten wurden entführt und Frauen, die mit ihren Familien in der Region arbeiteten, wurden mit sexueller Gewalt angegriffen.


Die prekäre Situation ist darauf zurückzuführen, dass die besetzten Orte von frauenfeindlichen Scharia-Gesetzen regiert und Frauen gefangen genommen werden. Frauen können ihr Zuhause nicht mehr verlassen und selbstverständlich ist die Erwerbstätigkeit von Frauen verboten. Der Feminizid, eine systematische Vernachlässigung des Rechts der Frauen auf Leben, wird durch Vergewaltigung, Versklavung und Tötung von Frauen sowie durch wirtschaftliche Vernichtung umgesetzt. Die Ausbeutung und Gefangennahme von Frauenkörpern, die Durchsetzung der Polygamie und der Zwang zur Geburt vieler Kinder sind untrennbare Bestandteile der Besatzungspolitik der Türkei und der FSA. Das bedeutet eine patriarchale Wirtschaft und die Kultur der männlichen Dominanz und Gewalt. Auf der einen Seite werden in unserem Land gewaltsame demografische Veränderungen durchgeführt, auf der anderen Seite wird die Bevölkerungspolitik über die Körper von Frauen durchgesetzt. Frauen werden als „Geburtsmaschinen für das Kalifat“ betrachtet. Frauenkörper werden als Kapital der patriarchalen Wirtschaft ausgebeutet.

Alle Gegenden von Rojava sind von Flucht, Vertreibung und erneuten Angriffen des IS betroffen. Das hat die gesamte Wirtschaft von Rojava zum Stagnieren gebracht. Zum Beispiel ist jetzt die Zeit der Aussaat und 80% unserer Wirtschaft in Rojava basieren auf der Landwirtschaft. Aber die Getreidespeicher von Serêkaniye und Girêsipî wurden geplündert, in denen das Saatgut für die Landwirtschaft der Bevölkerung gelagert wurden. Daher und aufgrund der Vertreibung der Bevölkerung konnte in beiden Regionen kein Getreide gesät werden. Da die Aussaat durch Krieg und Besatzung behindert wurde, wird das kommende Jahr von Knappheit, Armut und Hunger geplagt sein. Dies ist eine weitere menschliche Katastrophe, die uns bevorsteht.

Die Arbeitsplätze, Fabriken, Sektoren der öffentlichen Dienstleistungen und des Handels, die von der Produktion abhängig sind, mussten ihre Arbeit einstellen. Das bedeutet Arbeitslosigkeit und Armut für Zehntausende von Familien. Insbesondere die Felder, Obst- und Gemüsegärten von Serêkaniye wurden zerstört. Die Schäden an Natur und Umwelt sind eine ökologische Katastrophe. Das Tragischste ist, dass die Menschen in dieser Region zum ersten Mal ihre Wirtschaft und ihr Leben mit eigenem Willen organisiert hatten. Bis zur Rojava Revolution gab es nur die Wirtschaft des Baath-Regimes und alles, sogar die Bäckereien standen unter dem Monopol des Staates. Heute stellt die Invasion der Türkei einen hinterhältigen Angriff auf die Hoffnung der Menschen dar, die mit der Entwicklung der kommunalen Wirtschaft aufkeimte. Auch die Privatwirtschaft ist zusammengebrochen. Dies führt zu einer Wirtschaftskrise. Konkurs, steigende Preise und Kapitalflucht haben begonnen. Neben dem Völkermord unter Besatzung werden auch ethische Werte unserer Gesellschaft ins Visier genommen; dazu gehören die wirtschaftlichen Verwüstungen in den besetzten Regionen sowie in den bisher nicht besetzten Regionen. Diese Situation fördert die Verbreitung von Verbrechen und Unmenschlichkeit. So florieren beispielsweise der Menschenhandel und das Geschäft der Mafia-Banden, die Menschen zu einem hohen Preis über die Grenzen hinweg schmuggeln. Dies bedroht das Leben der Menschen und die Wirtschaft der Gesellschaft.

Um eine menschliche, wirtschaftliche und ökologische Katastrophe in Rojava sowie in Nord- und Ostsyrien zu verhindern, muss der türkische Besatzungskrieg gestoppt werden – sofort! Alle Besatzungstruppen müssen aus dem syrischen Gebiet abgezogen werden – bedingungslos! Die sichere Rückkehr der Vertriebenen auf ihr Land muss gewährleistet sein!

Komitee für Frauenökonomie der Frauenbewegung Kongra-Star

5. November 2019

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