„Wir müssen uns darauf vorbereiten Shengal und die ezidische Gemeinschaft zu schützen“

Wir haben Maryam Mustafa Jando von der Koordination der Union der ezidischen Frauen über die aktuelle Situation der ezidischen Bevölkerung, insbesondere in Shengal, befragt. Im Folgenden erklärt sie:

„Seit Anbeginn der Geschichte spielen die ursprünglichen ezidischen Kurd*innen eine große Rolle in der Gesellschaft. Sie sind seit Tausenden von Jahren eine Quelle der Kultur gewesen. Trotz aller Schwierigkeiten und Leiden, der die ezidische Bevölkerung ausgesetzt war, haben sie ihre Kultur nicht aufgegeben und ihre Bräuche und religiösen Traditionen bis heute bewahrt.

Die Ezid*innen waren im Laufe der Geschichte vielen Angriffen, Massakern und Plünderungen ihres Hab und Guts ausgesetzt. Heute sehen wir unsere Gemeinschaft in Shengal wieder einmal mit einem neuen Massaker konfrontiert, als ob vierundsiebzig Massaker nicht genug wären, um die Großmächte zu befriedigen, die die Ezid*innen auslöschen wollen.

Am 3. August 2014 einigten sich viele Staaten und Mächte darauf, die Existenz der Ezid*innen zu beenden, indem sie den Islamischen Staat (IS) – der als die gefährlichste Terrororganisation der Welt gilt – nach Shengal ließen, der Region mit der größten ezidischen Gemeinde, um die Mission zu erfüllen, die ihre osmanischen Vorfahren jahrhundertelang nicht zu Ende bringen konnten.

Der IS wurde mit modernster Waffentechnologie versorgt, zur Verfügung gestellt von einem NATO-Staat mit extremistischer Ideologie. Ein Staat, der die Position vertritt, dass die Ezid*innen Ungläubige sind und ihr Geld und ihre Frauen für sie zulässig sind.

Mit dem Beginn der Invasion des IS auf Shengal sahen wir, wie sich die Peshmerga Einheiten auf direkte Anweisung der Führung der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der irakischen Armee zurückzogen und die wehrlosen Ezid*innen der Gefahr des Genozids überließen, und das zu einem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich Shengal schützen sollten.

So ereignete sich eine riesige Katastrophe gegen die Ezid*innen – Morde, Entführungen, Vergewaltigungen und Folterung tausender ezidischer Frauen, während ihnen ihre Kinder weggenommen wurden.

Nachdem Shengal vom IS-Terror befreit worden war, gewann die Bevölkerung wieder an Kraft und organisierten sich in den Reihen der Shengal-Schutzeinheiten YPŞ und der Shengal-Fraueneinheiten YJŞ, denen sich viele Frauen angeschlossen haben, die aus der Sklaverei des IS befreit wurden. Die ezidische Bevölkerung gründete ihre eigene autonome Verwaltung, um sich selbst zu verwalten, nachdem mehr als vierhundert Menschen ihr Leben verloren hatten.

Jetzt versuchen sie erneut, die ezidische Gemeinschaft auszulöschen. Am 9. Oktober wurde ein Abkommen bezüglich Shengal zwischen der Autonomen Region Kurdistan (Irak) und Bagdad geschlossen. Es erscheint uns, als ob sie jene getroffene Vereinbarungen über Shengal nun umsetzen wollen.

Um dies zu tun, bereiten sie sich darauf vor, Tausende von Militärkräften nach Shengal zu bringen. Das wirft jedoch die Frage auf, warum diese Kräfte dorthin geschickt werden? Als der IS Shengal angriff und als wir gegen den IS kämpften, wo waren diese Kräfte da? Heute gibt es keine Notwendigkeit für zusätzliche militärische Kräfte in Shengal, denn die Schutzeinheiten Shengals YPŞ und YJŞ, die aus jungen ezidischen Männern und Frauen gebildet wurden, können Shengal schützen.

Um zu verhindern, dass ein weiterer Völkermord geschieht, appellieren wir an alle Parteien und politischen Kräfte in den vier Teilen Kurdistans und an unsere Bevölkerung, sich darauf vorzubereiten, Shengal und die ezidische Gemeinschaft zu schützen.“

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