Aktuelle Angriffe der Türkei auf die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien

Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag von Iida Käyhkö auf dem Pressebriefing und die Fragerunde mit Newroz Ahmed (SDF) zu den Angriffen der Türkei in NESyrien.

Um das Schweigen der westlichen Staaten angesichts der jüngsten Angriffe des türkischen Staates auf Rojava zu verstehen, ist es von entscheidender Bedeutung, den geopolitischen Kontext zu betrachten. Ebenso muss man die Auswirkungen der weltweiten Akzeptanz des “Sicherheitsbdürfnisses” des türkischen Staates hervorheben.

Die Position des türkischen Staats wurde durch die geopolitischen Verschiebungen nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine gestärkt. Die Pläne der NATO, nach Finnland und Schweden zu expandieren, und die Notwendigkeit, dabei Geschlossenheit zu zeigen, haben der Türkei die Möglichkeit gegeben, ihre eigene Agenda durchzusetzen.

Der türkische Staat möchte, dass die Welt seiner Propaganda zustimmt – insbesondere der Propaganda, die die kurdische Freiheitsbewegung als Terroristen darstellt. Die Türkei ist die zweitgrößte Militärmacht in der NATO, behauptet aber, dass die Autonome Selbstverwaltung in Rojava eine existenzielle Bedrohung darstelle. Es gibt keine Beweise oder Präzedenzfälle, die diese Behauptung stützen. Vielmehr hat sich der türkische Staat bei seinen Versuchen, die Region zu destabilisieren, immer wieder mit dschihadistischen und faschistischen Terrorgruppen verbündet. Es war der türkische Staat, der die Angriffe des “Islamischen Staats” auf Rojava unterstützt hat. Es ist der türkische Staat, der derzeit die Verteidigungseinheiten im Lager Al-Hol angreift, um ein Wiedererstarken des IS zu bewirken. Wenn der türkische Staat behauptet, er würde den Terrorismus bekämpfen, ist das nicht nur eine Farce, sondern auch gefährlich.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es die anhaltende Aggression und Gewalt des türkischen Staats sind, die in der gesamten Region für Unsicherheit und Instabilität sorgen. Die Türkei nutzt das Narrativ des “Kriegs gegen den Terror”, um die Idee zu stärken, Sicherheit in der Region sei nur durch die totale Vernichtung der kurdischen politischen Bewegungen zu erreichen.

Wir sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass die Türkei bei ihren Angriffen auf Kurdistan jahrzehntelang von der NATO unterstützt wurde, sowohl militärisch als auch politisch. Die Welt hat zugesehen, wie die Türkei Kurden massakriert, Zehntausende von Menschen wegen geringfügiger Dissidenz inhaftiert und illegale und blutige Angriffe in ganz Kurdistan durchgeführt hat. Die NATO-Verbündeten haben der Türkei weiterhin Waffen verkauft und erklärt, dass sie die “Sicherheitsbedenken” der Türkei akzeptieren, während sie gleichzeitig behaupten, für Freiheit und Demokratie zu sein.

Als ob dies nicht schon schlimm genug wäre, greifen die NATO-Verbündeten der Türkei und andere westliche Staaten Kurden und ihre Verbündeten außerhalb Kurdistans im Namen der Türkei an. Der türkische Staat hat die westlichen Staaten immer wieder dazu gedrängt, die kurdische Freiheitsbewegung zu kriminalisieren und Anti-Terror-Gesetzgebungen gegen kurdische Organisationen einzusetzen. Die NATO-Staaten, die die Türkei bei ihren Angriffen auf die kurdische Freiheitsbewegung weiterhin unterstützen, kriminalisieren auch diejenigen im eigenen Land, die versuchen, diese Politik zu beeinflussen oder zu kritisieren. Diese politische Unterdrückung hat enorme Auswirkungen auf die Organisierung von Solidarität und die Schaffung einer wirksamen Volksfront zum Widerstand gegen Völkermord und Krieg in Kurdistan.

Kurdische Gemeinschaften und Solidaritätsaktivisten sind Razzien, Verhaftungen, Inhaftierungen und Deportationen ausgesetzt, wenn sie sich an politischen Aktivitäten, der Basisorganisationen und politischer Lobbyarbeit beteiligen. All dies geschieht im Rahmen der Antiterrorismusgesetze, die den Staaten außergewöhnlich weitreichende und brutale Befugnisse einräumen. Die kurdische Freiheitsbewegung bezeichnet diese Taktiken als “besondere Kriegsführung”, da sie eine entscheidende Ausweitung des Kriegs in Kurdistan darstellen. Ohne diese Kriminalisierung müssten westliche Staaten ihre Komplizenschaft bei den Angriffen des türkischen Staates viel stärker in Frage stellen.

In den letzten zehn Jahren hat die Autonome Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien der Welt gezeigt, wie eine auf der Befreiung der Frauen basierende Basisdemokratie aussehen kann. Sie hat die Möglichkeit aufgezeigt, eine radikale Alternative zum herrschenden Ungleichheitssystems und des Patriarchats zu schaffen. Für Frauen auf der ganzen Welt ist Rojava ein Beispiel dafür, was organisierte antipatriarchale Aktionen erreichen können – von der Schaffung von Räumen der Freiheit und der kollektiven Organisation in den Kommunen über den Sieg über den IS auf den Schlachtfeldern bis hin zur Inspiration und Unterstützung von Frauen in ganz Kurdistan und der ganzen Welt, sich gegen Unterdrückung zu wehren. Wir können diese Wirkung in den Protesten und Aufständen sehen, die nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Iran und in Rojhelat weitergehen, wo Frauen den Slogan “Jin, jiyan, Azadî” übernommen haben, der seine Wurzeln in der kurdischen Freiheitsbewegung hat.

Die westlichen Staaten müssen die Sicherheitsnarrative der Türkei zurückweisen und politische Lösungen finden, die die demokratischen Fortschritte in Rojava respektieren. Diejenigen von uns, die im Westen leben, müssen sich der Kriminalisierung widersetzen und sich dem Aufruf zur Verteidigung Kurdistans anschließen. Dies ist der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden.

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