Die Rojava-Revolution in Nord- und Ostsyrien wird oft als eine Revolution beschrieben, die auf echter Demokratie, ökologischen Prinzipien und Frauenfreiheit basiert. Sie bietet eine Alternative zur kapitalistischen Moderne und zum Nationalstaat. Aber wie kommt es, dass all diese Prinzipien zusammenpassen? Ist es nur die Hingabe für eine Mischung aus verschiedenen Zielen oder die Entschlossenheit, groß zu träumen, die diese Prinzipien zur gleichen Zeit an einem Ort vereint hat? Wäre es möglich, sich eine geschlechterbefreite Gesellschaft vorzustellen, die nicht zum Beispiel auch auf ökologischen Prinzipien basiert? Und warum ist es so wichtig, dass Frauen sich gezielt für die Verteidigung von Rojava einsetzen?
Es ist wichtig, dass wir verstehen, dass der Aspekt der Geschlechterbefreiung der Rojava-Revolution nicht nur einer aus einer Sammlung positiver Werte ist. Alle Werte der Revolution sind untrennbar miteinander verbunden und die Unterdrückung, die sie bekämpfen, stammen aus den Anfängen der patriarchalen Unterdrückung. Das Patriarchat ist die Wurzel des gesamten staatlichen Systems und der Unterdrückung, die moderne Nationalstaaten der Gesellschaft zufügen. Patriarchale Machtstrukturen und Mentalitäten haben es dem Kapitalismus ermöglicht, seinen enormen Einfluss zu entfalten.
Denn das Patriarchat schafft Wege der gegenseitigen Wahrnehmung und ein Verständnis von Leben, ohne die Staat und Kapitalismus nicht möglich wären. Ausgehend von der gewalttätigen Aufteilung der Geschlechterkategorien und der Unterdrückung von Frauen durch Männer entwickelte das Patriarchat Beziehungen der Dominanz und Ausbeutung und der Betrachtung anderer Menschen und der Welt um uns herum als Objekte, die wir nutzen oder unterdrücken können.
Nach den Prinzipien der Revolution, die auf der Philosophie von Abdullah Öcalan basieren, muss eine wirklich geschlechterbefreite Gesellschaft also eine wirklich demokratische sein, und wir können diese Demokratie nicht erreichen, ohne die patriarchale Unterdrückung zu bekämpfen. Die ökologische Krise, mit der die Welt heute konfrontiert ist, geht auf unser grundlegend ausbeuterisches und destruktives Verhältnis zur Natur zurück, das seinerseits auf patriarchalen Beziehungen basiert, die auf Ausbeutung und Unterdrückung zwischen Menschen aufbauen.
Die Revolution ist in der Tat entschlossen, große Träume zu verwirklichen, aber aus dem Verständnis heraus, dass wir keine andere Wahl haben, wenn wir wirklich Veränderungen schaffen wollen. Wenn wir unter Geschlechterbefreiung verstehen, dass Frauen im bestehenden System einfach nur erfolgreicher werden, oder wenn wir das Patriarchat als von anderen Themen getrennt betrachten, werden wir es nicht wirklich besiegen. Wir werden die Gesellschaft nicht befreien und demokratisieren. Wir können die “Frauenfrage” nicht von der Revolution als Ganzes trennen oder sie später zur Prioritäten machen, denn sie ist die Grundlage für jeden Kampf.
Was auch immer sie sagen mögen, die Feinde der Revolution wissen das sehr wohl, wie wir an der zielgerichteten geschlechtsspezifischen Gewalt sehen können, die der türkische Staat und seine Verbündeten den Frauen in Nord- und Ostsyrien angetan haben. Das ist kein Zufall und war eine Taktik, um zu versuchen, den Widerstand und die Organisation der Gesellschaft zu brechen. Wir können sehen, dass sie auch den Zusammenhang zwischen der Freiheit und der Ökologie von Frauen und Gesellschaft verstehen, da die gleiche Serie von Angriffen die Wasserversorgung unterbrochen oder verschmutzt oder weite Teile des Landes zu Asche verbrannt hat.
Der Widerstand kennt auch die Wahrheit von all dem und baut aus diesen Verbindungen eine Perspektive der Hoffnung auf. Wir verstehen, dass wir, wenn wir das Patriarchat wirklich und wahrhaftig herausfordern, auch ein harmonischeres Verhältnis zwischen allen Menschen sowie zwischen Mensch und Natur entwickeln. Wir fordern den Staat und die Herrschaft heraus, und wir stellen die Basis des Kapitalismus in Frage. Wenn wir Rojava als Frauen verteidigen, verteidigen wir die Kernwerte der Alternative zur kapitalistischen Moderne.
