“Als Frauen müssen wir weltweit zusammenhalten” – Anlässlich des 25. Novembers in Gedenken an Elefteria Hambi und Sara Dorşîn

Am 25.11. ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Frauen gehen weltweit auf die Straße, um gegen patriarchale Gewalt zu demonstrieren. Der Tag geht zurück auf das Jahr 1960: In der Dominikanischen Republik organisierten sich Menschen gegen den Diktator Rafael Trujillo. So auch die drei Schwestern Patria, Minerva und María Teresa Mirabel, die auch unter ihrem Decknamen „Las Mariposas“ (die Schmetterlinge) bekannt sind. Sie waren Teil einer Widerstandsgruppe. Sie wurden verhaftet, dann aber aufgrund internationalen Drucks aus der Haft entlassen. Um die drei Frauen und ihren politischen Einfluss dennoch aus dem Weg zu schaffen, wurden sie vom dominikanischen Geheimdienst brutal ermordet. Das war am 25.11.1960. Bei dem ersten Lateinamerikanischen Frauenkongress in Kolumbien 1981 wurde dieser Tag zum Gedenken an die “Tres Mariposas” zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ausgerufen.

Gewalt gegen Frauen nimmt verschiedene Formen an. Eine davon ist partnerschaftliche Gewalt: Fast jede Woche werden in Deutschland etwa drei Frauen von ihrem aktuellen oder früheren Partner getötet, im Jahr 2022 waren es 133. Bisher im Jahr 2023 sind es bereits 100 Frauen. Und mehr als ein Mal pro Stunde wird in Deutschland eine Frau durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt.

Oft werden Frauen auch aus politischen Gründen ermordet, wie die Schwestern Mirabel. Bei politischen Feminiziden werden Frauen ermordet, weil sie Frauen sind und aber auch wegen der Werte für die sie einstanden. Gezielt werden die Vorreiterinnen sozialer, politischer Bewegungen ermordet, um eben diese Bewegungen zu schwächen. Die Frauen werden ermordet und damit soll auch die gesellschaftliche Alternative, für die die Frauen einstanden, vernichtet werden.

Das passiert an verschiedenen Orten auf der Welt, unter anderem in Kurdistan. In verschiedenen Teilen Kurdistans wird eine Selbstverwaltung aufgebaut basierend auf den Grundwerten Basisdemokratie, Ökologie und Geschlechterbefreiung. Die Ideologie der kurdischen Freiheitsbewegung, die auf den Ideen Abdullah Öcalans aufbaut, setzt sich viel mit der Freiheit von Frauen auseinander. Es wird gesagt, dass eine Gesellschaft nur dann frei ist, wenn die Frauen in ihr frei sind. In allen gesellschaftlichen Bereichen gibt es eine autonome Organisierung von Frauen, sie sind sehr gut organisiert. Die Selbstverwaltung und gerade die Rolle von Frauen darin ist verschiedenen herrschenden Kräften ein Dorn im Auge, allen voran dem türkischen Staat. Deshalb greift er die Selbstverwaltung an. Das türkische Regime setzt in den letzten Jahren gezielt Drohnenangriffe als Strategie ein, um die demokratische Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien, das pluralistische Zusammenleben der Menschen in der Region und die Frauenrevolution zu zerstören. Frauen, die sich in der Selbstverwaltung engagieren, werden mit gezielten politischen Feminiziden durch den türkischen Staat ermordet.

Eine der Frauen, die für die Freiheit kämpfte und durch die Türkei ermordet wurde, war Şehid Elefteria Hambi, mit bürgerlichem Namen Eva Maria Steiger. Sie war in Deutschland in der Klimabewegung aktiv und Teil der Verteidigung des Hambacher Forstes.

Schon dort war sie eine kompromisslose Frau in ihrem Widerstand, die nicht aufgab, sondern Aktionen bis zum Ende durchzog. Sie lernte die kurdische Freiheitsbewegung kennen. Die Schriften Öcalans konnten ihr einige Antworten auf viele ihrer Fragen geben. Vor allem die Frauenbefreiungsideologie und die von Frauen angeführte Revolution in Rojava beeindruckten sie. 2018 ging sie nach Rojava. Dort lernte sie die gesellschaftliche Selbstorganisierung Nord- und Ostsyriens kennen, ihre Worte dazu sind: „Als ich hierher kam, sah ich, wie stark der Kampf der Frauen ist. Die Menschen hier haben verstanden, wie man gegen das patriarchalische System ankämpft, von dem die gesamte Welt geprägt ist. Die Idee, die der Selbstorganisierung der Frauen zugrunde liegt, und die Umstände, wie sie zusammen kamen, gefiel mir. All das erinnert mich an meinen anarchistischen Hintergrund. Natürlich wollte ich hierher kommen und sehen, wie sie ihre Ideen umsetzen.” Als Mitglied der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) kämpfte sie gegen den sogenannten IS. Sie beteiligte sich auch am Leben und Widerstand in den freien Bergen in Südkurdistan. Am 25. November 2019, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen vor vier Jahren, wurde Elefteria Hambi durch einen türkischen Luftangriff in Gare ermordet.

Neben Elefteria Hambi wollen wir an Şehîd Sara Dorşîn (Sarah Almuth Handelmann) erinnern. Auch sie fiel durch einen Luftangriff der türkischen Armee in Südkurdistan.Sie wurde am 25. November 1985 in Deutschland geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in Ostdeutschland auf. Nach der Schule ging sie zunächst nach Tübingen, um Literatur zu studieren. Dort lernte sie linksradikale Ideen kennen. Anschließend studierte sie in Berlin an der Filmhochschule und arbeitete später als Kamerafrau. Über die Dreharbeiten der Dokumentation „Xwebûn“ zu der autonomen Frauenarbeit in Amed kam sie 2016 in Bakûr (Nordkurdistan) zur kurdischen Bewegung.

Die Begegnungen dort haben sie sehr inspiriert und die starke Organisierung der Frauen Hoffnung gegeben. Wieder zurück in Deutschland hat sie sich an den internationalistischen Jugendarbeiten beteiligt. 2017 ging sie nach Rojava und schloss sich nach kurzer Zeit der Frauenguerilla YJA-Star an und ging in die freien Berge Kurdistans. Als Sara Dorşîn wurde sie Mitglied der Frauenguerilla YJA-Star. Am 7. April 2019 wurde sie gemeinsam mit weiteren Freundinnen durch einen Luftangriff der türkischen Armee ermordet.

Dieses Jahr am 25.11. gedenken wir allen Frauen, die durch patriachale Gewalt ermordet wurden. Internationalistische Solidarität ist unsere Antwort auf die Gewalt des Patriachats. Elefteria Hambi und Sara Dorşîn sind darin unsere Vorbilder. Elefteria Hambi sagte, „dass wir auf der ganzen Welt zusammen kommen müssen, um irgendetwas zu verändern. Die Staaten, die ständig irgendwelche Grenzen zwischen uns bauen, also wortwörtlich, und auch bildlich gemeint, das ist etwas, was wir durchbrechen müssen und wir müssen zusammen kommen und vor allem als Frauen auch zusammenhalten und nur so können wir dieses System überwinden und ein neues System aufbauen, das nicht von der Unterdrückung lebt und der Zerstörung, sondern menschlich ist.“

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