Am Abend des 18. Aprils 2024 ereignete sich ein weiterer türkischer Drohnenangriff in Rojava. Dieser traf Halime Mihemed Osman, Sprecherin der Organisation Sara zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, und ihren Ehemann Elî Mistefa Osman. Nûdem Derya erzählt:
Donnerstag Abend, 18. April 2024: Wir sitzen zusammen, als Frauen, erzählen über die Geschichte, die von Männern geschrieben wurde. Diskutieren, wie wir die Geschichte der Frauen hervor holen können.
An diesem Abend finden überall in der Region Feiern zum Jahrestag der KJK (Gemeinschaft der Frauen Kurdistans) statt, der weltweiten gesellschaftlichen Selbstorganisierung der kurdischen Frauenbewegung. Einer Struktur, die in den letzten Jahren einen großen Beitrag dazu geleistet hat kurdische Frauen sichtbar zu machen, sie zu stärken, gegen koloniale Gewalt von außen und innen.
Eine von uns blickt auf ihr Telefon und sieht, dass in Kobane ein Auto attackiert wurde. Vor einer Stunde sprachen wir noch darüber, dass es gerade nur vermeintlich ruhig und sicher ist, dass viele Frauen, die wir kennen jeden Tag in Gefahr sind.
Um Mitternacht schaue ich auch auf mein Telefon. 35 Nachrichten in der Whats App Gruppe der Frauenorganisation Sara, mit der ich arbeite. Täglich streiten wir als unabhängige Frauen für die Rechte der Frauen, auf der Basis des Gesellschaftsvertrages und der Familiengesetze in der demokratischen Selbstverwaltung hier.
Kurze Zeit später wissen wir: Der Angriff galt Halime Osman und ihrem Mann. Beide waren in ihrem Auto unterwegs, als die Attacke erfolgte, das Fahrzeug in Flammen aufging.
Die Eltern von fünf Kindern sind jetzt im Krankenhaus, ein Wunder, dass sie leben, das Auto ist völlig ausgebrannt.
Halime geht in Kobane zu den Frauen, wann immer es ein Problem gibt; frühmorgens und spätabends. Schon vor der Revolution organisierte sie sich mit vielen anderen Menschen in Kobane gegen das Baath Regime. Im Kampf gegen Daesh schickte sie ihre Kinder aus der Stadt, gemeinsam mit ihrem Mann beteiligte sie sich an der Verteidigung.
Seit vielen Jahren arbeitet sie schwerpunktmäßig für die Rechte von Frauen in Kobane, seit drei Jahren im Vorstand von Sara, seit September 2023 als Sprecherin.
Gestern Abend haben der türkische Staat und seine Komplizen mal wieder gezeigt, dass er diese Stärke der Frauen nicht akzeptiert. Dass er sich davor fürchtet.
Der Vorstand von Sara erklärt dazu heute: „Wir wissen, dass die Befreiung, die Entwicklung und der Fortschritt der Frauen die Entwicklung und den Fortschritt der Gesellschaft bedeuten. Sie stehen für ein Ende von Krieg und Unruhen und für die Schaffung von Frieden und Demokratie. Aus diesem Grund werden kämpfende Frauen ins Visier genommen.“
Heute morgen kommen alle Frauen der sozialen Vereine zusammen, es ist Freitag, Feiertag, aber das spielt keine Rolle. Wir sind gemeinsam wütend, diskutieren, geben eine Erklärung gegen Feminizid, Besatzung und Gewalt ab. Wir stehen zusammen.
Halime, halt durch, du hast schon soviel Stärke gezeigt, du wirst auch das hier schaffen!